Im Zuge der laufenden IBOR-Reform werden kritische Referenzzinssätze entweder durch einen neuen Referenzzinssatz abgelöst oder hinsichtlich ihrer Ermittlung angepasst. Ende 2021 werden bisher häufig verwendete Referenzzinssätze wie der EONIA und einige LIBOR-Zinssätze eingestellt.
Die IBOR-Reform stellt seit der Einführung des Euro eine der größten Veränderungen am Kapitalmarkt dar. Da die Interbank Offered Rates (IBORs) als grundlegende Referenzzinssätze am Kapitalmarkt verwendet werden, beziehen sich auch heute noch die Konditionen einer Vielzahl von Krediten, Derivaten, Wertpapieren und Bankeinlagen auf diese Benchmarks.
Aufgrund der Reform des globalen Systems der Referenzzinssätze ergeben sich unmittelbar Auswirkungen auf Bilanzierung- und Bewertungsfragen. Bisherige IBORs werden entweder reformiert oder nach und nach durch sogenannte risikofreie Zinssätze – Risk-Free Rates (RFR) oder auch Alternative Reference Rates (ARR) – abgelöst.
Im Kontext der IBOR-Reform hat sich das IDW jüngst mit einer weiteren Fragestellung bezüglich der bilanziellen Abbildung der Umstellung der maßgeblichen Zinssätze in Abschlüssen nach HGB sowie IFRS beschäftigt.
Die gemeinsame Berichterstattung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) und des Bankenfachausschusses (BFA) vom 03.11.2021 widmet sich der bilanziellen Abbildung der Umstellung des Referenzzinssatzes von Derivaten (insbesondere Zinsswaps) infolge der IBOR-Reform nach HGB und IFRS.
Anlass für die gemeinsame Berichterstattung sind derzeit diskutierte unterschiedliche Vorgehensweisen für die infolge der IBOR-Reform erforderlich gewordene Umstellung des vertraglich vereinbarten Referenzzinssatzes von Derivaten. Während die Änderung des Referenzzinssatzes eines bestehenden Derivats durch eine Änderung des zugrunde liegenden Vertrags bereits in IDW RH FAB 1.020 thematisiert ist, ist der Fokus der neuen Berichterstattung auf den Fall einer vorzeitigen rechtlichen Beendigung des dem Derivat zugrunde liegenden Vertrags i.V.m. dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Derivatevertrags gerichtet, bei dem sämtliche Vertragsparameter des ursprünglichen Derivats mit Ausnahme des Referenzzinssatzes unverändert übernommen werden (off-the-market).
Durch die entstehenden Differenzen aus dem ursprünglichen und dem neuen Referenzzinssatz sind Wertkompensationen zwischen den Vertragskontrahenten vorzunehmen, welche durch eine einmalige Ausgleichszahlung oder durch Spread-Adjustments vorgenommen werden können. Die Art und Weise wie die Umstellung vorgenommen wird, darf nicht zu unterschiedlich bilanziellen Konsequenzen führen, sodass der FAB und BFA eine analoge handelsrechtliche Bilanzierung zu einer Vertragsveränderung vorsieht. Derivate sind nach dem Grundsatz für schwebende Geschäfte zu behandeln, wenn sie nicht in eine Bewertungseinheit im Sinne von § 254 HGB einbezogen werden können. Laut § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB erfolgt zudem eine Bilanzierung im Falle eines drohenden Verlusts. Die Bewertung erfolgt über sämtliche Derivate des Handelsbestands und mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikozuschlags (§ 340e Abs. 3 Satz 1 HGB).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein besonderes exogenes Ereignis, welches durch den Gesetzgeber veranlasst wurde und dem sich der Bilanzierende nicht entziehen kann. Die im IDW RH FAB 1.020 genannten Ausführungen zur Änderung der Konditionen eines Wertpapiers oder eines Darlehensvertrags können auf eine vorzeitige rechtliche Beendigung des dem Derivat zugrundeliegenden Vertrags i.V.m. dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Derivatevertrags übertragen werden, wenn die IBOR-Reform die alleinige Ursache zur Beendigung darstellt, ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem alten und dem neuen Vertrag besteht, sich abgesehen vom Referenzzinssatz im neuen Derivatevertrag keine der befindlichen Merkmale verändern und sich die einmalige Ausgleichszahlung lediglich auf die Wertkompensation bezieht. Zudem ist aus Sicht des FAB und des BFA eine erfolgsneutrale Erfassung der Ausgleichszahlungen infolge der Umstellung des Referenzzinssatzes vorzunehmen.
Nach IFRS entspricht die „off-the-market“ Variante einem Austausch des Vertrags, bei dem eine ein Beurteilung der Abgangskriterien vorgenommen werden muss, um eine Ausbuchung zu prüfen. Hierbei ist die substanzielle Abweichung der Bedingungen nach IFRS 9.3.3.2. und IFRS 9.B3.3.6 zu überprüfen. Besteht keine substanzielle Abweichung zwischen den Verträgen, ist das Derivat nicht auszubuchen.
Die Auswirkungen der IBOR-Reform sollten unternehmensindividuell und bezogen auf die einzelnen relevanten Sachverhalte genau gewürdigt werden, damit etwaige bilanzielle Konsequenzen zutreffend berücksichtigt und im Vorfeld genau abgeschätzt werden können.