Aufgrund der massiv gestiegenen Inflationsraten im Post-Corona-Zeitraum hat die EZB zwischen Juli 2022 und Oktober 2023 zehnmal in Folge eine Anhebung der Leitzinsen vorgenommen. Aufgrund der rückläufigen Inflation im Jahr 2024 erfolgte im Juni die erste Senkung des Leitzinses auf 4,25 %. In der jüngsten Sitzung beschloss der EZB-Rat die zweite Senkung im Jahr 2024. Der Leitzins wird um 0,6 Punkte auf 3,65 % verringert.
Die wirtschaftlichen und geopolitischen Ereignisse, insbesondere der russische Angriffskrieg in der Ukraine, welche das Jahr 2022 geprägt haben, wirken auch noch im Jahr 2024 nach. Eine Folge der Krisen war ein historischer Anstieg der Inflationsraten vor allem im Jahr 2022. Von März 2023 bis März 2024 ist das Inflationsgeschehen schließlich von 7,4 % auf 2,2 % zurückgegangen. Seitdem verharrte die Inflationsrate auf einem Niveau etwas oberhalb der Zielinflationsrate von 2,0 %. So lag das Inflationsgeschehen in Deutschland im Mai 2024 bei 2,40 % und im Juli 2024 bei 2,30 %. Für August 2024 fiel die Inflationsrate mit einem Wert von 1,90 % erstmals unter das Inflationsziel der EZB. Zuletzt war ein Wert von unter 2,0 % im März 2021 erreicht worden. Die Volkswirte der EZB rechnen mit einer Gesamtinflation i. H. v. rd. 2,5 % für das Jahr 2024, 2,2 % für 2025 sowie 1,9 % für 2026.
Um positive Wachstumsimpulse zu geben, senkte die EZB den sogenannten Hauptrefinanzierungssatz im September um 0,6 Prozentpunkte auf 3,65 %. Der Hauptrefinanzierungssatz ist der Zinssatz, zu welchem sich Banken Geld leihen können.
Der Basiszinssatz nach IDW S 1, der seit Jahresbeginn einem Abwärtstrend unterliegt und dessen Entwicklung durch das aktuelle Zinsniveau beeinflusst wird, beträgt gerundet zunächst weiterhin 2,50 %. Im Unterschied zum Hauptrefinanzierungssatz dient der Basiszinssatz als Grundlage für die Diskontierung zukünftiger Cashflows im Rahmen von Unternehmensbewertungen. Eine Änderung des Basiszinssatzes nach IDW S 1 hat relevante Auswirkungen auf Unternehmenswerte. Insofern werden künftige Zinssatzanpassungen der führenden Notenbanken wie FED und EZB mittelbar auch Auswirkungen auf den Basiszinssatz haben. Sinkt das allgemeine Zinsniveau, dürfte dies auch einen sinkenden Basiszinssatz und damit tendenziell und bei ansonsten unveränderten Bedingungen wieder steigende Unternehmenswerte zur Folge haben.
Die früheren Leitzinserhöhungen der Notenbanken hatten u. a. deutliche Auswirkungen auf die Fremdfinanzierungskosten für Unternehmen und private Haushalte, die seit Beginn der Leitzinserhöhungen deutlich angestiegen sind. Private Haushalte spüren den Anstieg der Fremdfinanzierungskosten, insbesondere bei der Aufnahme von Krediten zur Immobilienfinanzierung. Unternehmen mit einer hohen Fremdkapitalquote, die Investitionen jahrelang günstig refinanzieren konnten, müssen sich bei anstehenden Umschuldungen zukünftig zu ungünstigeren Konditionen finanzieren. Gleichzeitig führte das gestiegene Zinsniveau bei ansonsten gleichen Bewertungsparametern zu sinkenden Unternehmenswerten und damit zu erhöhten Wertminderungsrisiken.
Im Ergebnis ist die weitere Zinsentwicklung für das Jahr 2024 noch nicht abschätzbar. Aufgrund der im Vergleich zum Vorjahr eher rückläufigen Inflation und den bereits vorgenommenen Zinssenkungen der EZB im Jahr 2024 werden im weiteren Jahresverlauf Zinssenkungen von der EZB erwartet. Auch die weitere Entwicklung des Inflationsgeschehens bleibt spannend, da bspw. Löhne im Vergleich zum allgemeinen Preisniveau nach wie vor überdurchschnittlich ansteigen. Ebenso ist abzuwarten, mit welchen geldpolitischen Impulsen andere führenden westlichen Zentralbanken, wie FED und die Bank of England weiter agieren werden. Wenn das allgemeine Zinsniveau weiter sinkt, dürfte dies die Kapitalkosten der Unternehmen in der Weise beeinflussen, dass auch diese sinken werden. In der Folge steigen bei ansonsten unveränderten Bewertungsparametern die Unternehmenswerte und etwaige Wertminderungsrisiken nehmen ab.