Bei Apotheken handelt es sich um eine besondere Form von in der Regel kleinen Unternehmen, deren spezifische Eigenschaften bei der Ermittlung ihres Unternehmenswerts zu beachten sind. So sind neben den vielen gesetzlichen Vorgaben, wie z.B. dem Mehrbesitzverbot, insbesondere der große Einfluss des Apothekeninhabers auf den Wert der Apotheke zu berücksichtigen.
Im Gegensatz zu diversen anderen Branchen hängt die Dynamik des Markt- und Wettbewerbsumfeldes von Apotheken nicht im Wesentlichen von konjunkturellen Entwicklungen, sondern vom medizinischen Bedarf ab. So ist beispielsweise der Gesamtumsatz von Apotheken von 2000 bis 2019 trotz zwischenzeitlicher wirtschaftlicher Einbrüche, wie z.B. während der Finanzkrise 2008/2009, kontinuierlich gestiegen. Der Gesamtumsatz der Apotheken in Deutschland hat sich von rd. EUR 27,3 Mrd. im Jahr 2000 auf rd. EUR 54,2 Mrd. in 2019 fast verdoppelt. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von rd. 3,5 %. Insbesondere die demografische Entwicklung Deutschlands dürfte dafür sorgen, dass diese Dynamik auch in den kommenden Jahrzehnten noch weiter anhält. Auch die Corona-Krise samt ihren ökonomischen Folgen sollte keine Hürde sein – im Gegenteil: ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein, der Verkauf von Hygiene-Artikeln wie Masken und Desinfektionsmitteln sowie das Anbieten von Corona-Schnelltests dürfte sich eher positiv auf die Umsätze der Apotheken auswirken.
Die Apothekenbranche steht nicht nur in einem besonderen Verhältnis zur Gesamtwirtschaft, sondern unterliegt auch bestimmten gesetzlichen Vorschriften. Zu den Regulierungen gehören unter anderem, dass Apotheken nur von staatlich geprüften Apothekern betrieben werden dürfen, sowie dass die Mehrheit der Arzneimittel apothekenpflichtig sind und nur zu gesetzlich festgelegten Preisen verkauft werden dürfen. Außerdem darf ein Apotheker gemäß § 1 Abs. 2 ApoG neben einer Hauptapotheke nur bis zu drei weitere Filialen in räumlicher Nähe betreiben (sogenanntes Mehrbesitzverbot). Insgesamt sind Apotheken somit sehr strengen gesetzlichen Regularien unterworfen, die sie von einem Großteil der „sonstigen“ kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterscheiden. Durch das Mehrbesitzverbot ist das Wachstum von einzelnen Apotheken bereits gesetzlich limitiert. Entscheidend bei der Bewertung von Apotheken ist aufgrund der häufig starken persönlichen Bindung zwischen den Kunden und dem Apotheker eine Analyse des Kundenbestands unter Berücksichtigung demografischer Einflussfaktoren. Ferner ist regelmäßig eine Standortanalyse bezüglich der Ärztestruktur, der geografischen Lage der Apotheke und zu entsprechenden sonstigen Einkaufsmöglichkeiten in örtlicher Nähe zur Apotheke erforderlich. Darüber hinaus können etwaige Spezialisierungen von Apotheken wertbestimmend sein. Neben den apothekenspezifischen Einflussfaktoren existieren auch einige Ähnlichkeiten zwischen Apotheken und übrigen KMU, die in der Regel einen maßgeblichen Einfluss auf die Bewertungspraxis von Apotheken haben.
So gilt es bei der Bewertung von Apotheken aufgrund diverser weiterer betriebswirtschaftlicher Besonderheiten von KMU den IDW Praxishinweis 1/2014 zur Bewertung von KMU zu beachten. Grundsätzlich soll bei der Bewertung eines Unternehmens, die dem Unternehmen innewohnende übertragbare Ertragskraft ermittelt werden. Bei Apotheken und KMU kann anders als bei großen Unternehmen nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass sich die Ertragskraft der konkret zu bewertenden Apotheke ohne signifikante Abweichungen auf einen Fremdgeschäftsführer bzw. „neuen“ Apotheker übertragen lässt, da aufgrund der persönlichen Bindung des Apothekeninhabers zu den Kunden spezielle Eigenschaften des Inhabers ggf. erhebliche Einflüsse auf die Ertragskraft haben.
Der Inhaber einer Apotheke kann z.B. als Hauptleistungsbringer, Verkaufsleiter, Geschäftsleiter, Vertrauensperson gegenüber Mitarbeitern und Kunden oder Träger von bestimmtem Wissen eingestuft werden. Bei Apotheken bspw. vereint der Apotheker in der Regel jede dieser Typisierungen, sodass die besondere Bewertung von KMU anhand des Praxishinweises 1/2014 als besonders relevant für Apothekenbewertungen betrachtet werden sollte. Die angesprochenen Fähigkeiten sind allesamt nicht ohne Weiteres übertragbar, sodass bei betroffenen Inhaberwechseln von Veränderungen der Ertragskraft ausgegangen werden kann. Bei einem unterstellten Eigentümerwechsel kann es in der Folge unter Umständen dazu kommen, dass die vorhandene Ertragskraft im Zeitablauf abschmilzt oder sogar abrupt abnimmt, weil Kunden zu anderen Apotheken abwandern, wenn der persönliche Bezug zum Apothekeninhaber verloren geht.
Bei der Bewertung von Apotheken kann damit die Annahme einer endlichen Lebensdauer des Bewertungsobjekts sachgerechter sein als die Annahme einer unendlichen Lebensdauer.
Insgesamt sollte man sich bei der Bewertung von Apotheken am IDW Praxishinweis 1/2014 orientieren. Ferner gilt es aber auch die weiteren Besonderheiten von Apotheken und die Unterschiede zu sonstigen KMU aufgrund der gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.