In der Bewertungspraxis und auch in der Rechtsprechung gewinnt die Net Asset Value-Bewertung zunehmend an Bedeutung. Hierbei sind verschiedene Besonderheiten zu beachten. So sind bspw. steuerliche Verlustvorträge bei der NAV-Methode, anders als bei der Ertragswertmethode, nicht als Sonderwerte zu berücksichtigen. Diese Ansicht wurde auch vom BayObLG mit Beschluss vom 23.08.2023 (101 W 184/21) bestätigt. Die unterschiedliche Berücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge in beiden Methoden beruht auf den konzeptionell unterschiedlichen Bewertungsansätzen.
Bei einer Unternehmensbewertung mit der Ertragswertmethode werden steuerliche Verlustvorträge regelmäßig als Wertfaktor zusätzlich zum Ertragswert berücksichtigt. Bei der NAV-Methode, die im Regelfall bei der Bewertung von vermögensverwaltenden Unternehmen zur Anwendung kommt, ist dies jedoch nicht der Fall.
Grundvoraussetzung für die Bewertung eines Unternehmens mit der NAV-Methode ist die Bewertung der einzelnen Assets auf Basis von deren Verkehrsfähigkeit. Da es sich bei einem steuerlichen Verlustvortrag nicht um einen verkehrsfähigen Vermögensgegenstand handelt, kann er nicht bei einer Unternehmensbewertung mit der NAV-Methode berücksichtigt werden.
Diese Ansicht wurde auch vom BayObLG mit Beschluss vom 23.08.2023 (101 W 184/21) bestätigt. Im konkreten Fall rügten mehrere Aktionäre einer vermögensverwaltenden Gesellschaft die Nichtberücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge bei der Bewertung durch die NAV-Methode. Dadurch sei ihnen bei der Übertragung ihrer Anteile an den Hauptaktionär eine zu geringe Barabfindung gewährt worden. Das Gericht betonte jedoch in seinem Urteil, dass eine Berücksichtigung der steuerlichen Verlustvorträge bei der Bewertung mit der NAV-Methode unter anderem wegen der mangelnden Verkehrsfähigkeit unzulässig sei. Dies beruhe auf den konzeptionell unterschiedlichen Bewertungsmethoden bei den beiden Bewertungsmodellen.